Am Beruflichen Schulzentrum in Pfarrkirchen (Landkreis Rottal-Inn) gibt es nun die Möglichkeit, Praktika im Ausland zu absolvieren. Möglich gemacht wird der Aufenthalt durch die Förderung des Erasmus+-Programms der Europäischen Union in Höhe von 131000 Euro.
Knapp drei Wochen nach Beginn des neuen Schuljahres werden zwölf Schülerinnen der Berufsfachschule für Hauswirtschaft und Kinderpflege zusammen mit zwei Lehrkräften nach Hadersleben in Dänemark reisen. Dort werden sie für einige Wochen an der Deutschen Schule und an dem Deutschen Kindergarten Hadersleben lehren und lernen.
Möglich gemacht wird der Aufenthalt durch die Förderung des Erasmus+-Programms der Europäischen Union in Höhe von 131000 Euro. Festgelegt hatte dies die Nationale Agentur Bildung für Europa beim Bundesinstitut für Berufsbildung (NA beim BIBB), welche dem BSZ im Rahmen ihres Abschlussberichtes eine „sehr gute Qualität ihres Projektes“ bestätigte. 92 von 100 möglichen Punkten erreichte die Schule in ihrer Bewertung. „Positive Rückmeldung ist immer schön“, freut sich Schulleiter Günter Ilg über das Ergebnis.
„Austausch zwischen Menschen und Kulturen“
In den Pandemiejahren wurde die Internationalisierungsstrategie „BSZ goes Global“ initiiert und im Schuljahr 2021/2022 erhielt die Schule die Akkreditierung für Erasmus+. Den meisten ist Erasmus+ eher im allgemeinen oder universitären Bereich ein Begriff, beispielsweise bei Schüleraustauschen oder Auslandssemestern. Doch lässt es sich auch in der Berufsbildung integrieren.
„Es ist ein Austausch zwischen Wissen, Menschen und Kulturen“, definiert Ilg das von der EU finanzierte Programm, „gerade für die innereuropäische Völkerverständigung ist es fundamental wichtig, mal einen anderen Staat gesehen zu haben.“
Genau dies ermöglichen die Auslandsaufenthalte den Schülern. Etwa 70 von ihnen können durch die Förderung ins Ausland, wobei sowohl Reise- als auch Unterbringungskosten und eventuelle Lehrgangsgebühren bezahlt werden.
Erstes Ziel ist Dänemark
Das erste Ziel im kommendem Schuljahr wird Dänemark sein. Bevor dies feststand, bedurfte es jedoch einiges an Planung und Organisation seitens der Schule. Im März besuchten drei Lehrkräfte der BSZ, darunter auch Erasmus+ Beauftragter Christian Kaiser, die Einrichtungen in Hadersleben und sprachen mit den Zuständigen vor Ort. „Wie in ihren Betrieben in Pfarrkirchen werden die Schülerinnen bei den Ganztags-, Unterrichts- und erzieherischen Angeboten sowie bei der Verpflegung und der Hausaufgabenbetreuung mithelfen“, erklärt Kaiser. Die Vorbereitungen der Angebote finden teils in Pfarrkirchen, teils vor Ort in Dänemark statt. Denn, so betonen die Zuständigen, seien die Aufenthalte keine Urlaube. Die Schüler und Schülerinnen werden genauso, teilweise sogar noch intensiver gefordert als in Deutschland.
Das können auch die Austauschschüler der Abteilung Holz, Bau und Metalltechnik bestätigen. Für ihre Nachfolger geht es Ende Oktober für zwei Wochen in die tschechische Stadt Třebíč. Dort existiert eine Schule, die sich ausschließlich auf das Bauwesen fokussiert. Zu Beginn werden die Schüler in einem kleinen Sprachkurs mit den wichtigsten tschechischen Wörtern vertraut gemacht, bevor sie in der ersten Woche am Unterricht teilnehmen.
In Tschechien gibt es, wie in den meisten europäischen Staaten, kein duales Blocksystem, welches zwischen Betrieb und Schule wechselt. Stattdessen lernen die Auszubildenden den theoretischen Stoff in der Schule und nehmen selbst Aufträge an. „In Deutschland undenkbar“, merkt Ilg an.
Berufsschüler auf einer Baustelle in Tschechien
Aber genau darum soll es bei dem Programm gehen: Verstehen, wie andere Länder arbeiten. Das finden die Schüler des BSZ in Třebíč in der zweiten Woche selbst heraus. Sie werden auf eine Baustelle mitgenommen und dürfen gleich mit anpacken. Da gilt es vor allem zwei große Hürden zu überwinden: Die offensichtliche ist natürlich die Sprache, denn die Gastgeber sprechen praktisch kein Deutsch und auch nur wenig Englisch. Die zweite, und für viele wahrscheinlich die schwierigere Hürde, ist der Arbeits- und teilweise auch Schulbeginn um sechs, beziehungsweise sieben Uhr morgens.
Zurück in Pfarrkirchen müssen die Berufsschüler zwar erst wieder um acht Uhr die Schulbank drücken, der Schulstoff und auch verpasste Leistungsnachweise müssen allerdings nachgeholt werden. Und wenngleich spätestens hier klar wird, dass das Auslandspraktikum kein Erholungsurlaub ist, erhalten Ilg und Kaiser durchgängig positives Feedback von ihren Schülern. „Viele würden es wieder machen“, weiß der Erasmus+-Koordinator und auch der Oberstudiendirektor kann von einem Schreiner und einer Schreinerin berichten, die ihren Aufenthalt in Tschechien in guter Erinnerung halten.
Weitere Reisen ab März 2025
Der Reisekalender geht schließlich Ende März 2025 weiter. Die Kaufleute reisen nach Meran, Italien für die Ablegung des ICDL. Hierbei handelt es sich um ein internationale Zertifizierung, die als Nachweis für grundlegende IT-Kenntnisse fungiert.
Etwas über einen Monat später wird Kaiser zusammen mit mehren BSZlern und Kollegen nach Irland, genauer gesagt Dublin, reisen. Dort werden die circa 20 Schüler und Schülerinnen an ihren Englischkenntnissen feilen und am Ende eine Prüfung ablegen, die ihnen auf dem europäischen und internationalen Markt weitere Türen öffnen könnte. Obwohl die Schüler und Schülerinnen für dieses Programm eine Bewerbungsmappe auf Englisch abgeben und – da es sich um eine individuelle Förderung handelt – einen Eigenanteil bezahlen müssen, hat Kaiser bereits 28 Bewerber auf seiner Liste.
Angeworben werden die Schüler durch gezielte Ansprache oder durch die Berichte derjenigen, die bereits einen Auslandsaufenthalt mitmachen durften. Manchmal, wie etwa bei Irland, wird Kaiser einige Interessenten auf ein Jahr vertrösten müssen, je nachdem wie lange deren Ausbildungszeit läuft. „Wenn sich jemand als verlässlicher Schüler erweist, dann versuchen wir, denjenigen die Möglichkeit zu schaffen“, betont der Oberstudienrat. Ihm ist bewusst, wie viel die Aufenthalte den Auszubildenden bringen. Denn die erworbenen Fähigkeiten, wie etwa eine erhöhte Sozialkompetenz oder ein besseres Verständnis für eine andere Kultur, helfen ihnen langfristig nicht nur im Beruf, sondern auch im Alltag. Zudem erhalten die Schüler auch eine neue Perspektive durch die Aufenthalte. „Sie stellen fest, wie gut unsere Ausbildung und Ausstattung ist“, weiß Schulleiter Ilg, „Ich war im März 2023 selbst in Třebíč und das ist eine andere Welt. Unsere Schüler kommen mit einer ganzen neuen Sichtweise und Selbstbestimmung zurück.“ Dennoch, erklärt er weiter, habe die bauliche Arbeit im Nachbarland einen sehr hohen Standard.
Auch für Betriebe viele Vorteile
Auch für die Betriebe ergeben sich durch die Auslandspraktika ihrer Auszubildenden viele Vorteile. Da in einem gewissen Kostenumfang Bauvorhaben EU-weit ausgeschrieben werden müssen, ist es hilfreich, wenn sich die Azubis auch mit Kollegen aus dem Ausland identifizieren können. Weiterhin ist die Bereitschaft ins Ausland gehen zu können für viele Firmen, die international tätig sind, ein großer Vorteil. Dadurch wird es auch für die Teilnehmer einfacher, eine Genehmigung für den Aufenthalt einzuholen, da die Zeit dort als Arbeitszeit zählt. „Mittlerweile wird der Beratungsbedarf deutlich weniger und die Entsendezahlen deutlich höher“, bestätigt Kaiser.
Schüler und Lehrer profitieren davon
Neben den Schülern profitieren auch die Lehrer von dem Förderprogramm. Bei dem sogenannten Job Shadowing besuchen sie Schulen im Ausland und schauen sich vor Ort den Unterricht an. Dadurch können europaweit gewisse Lehrstrukturen übernommen und dadurch verbessert werden.
Um ein solches Projekt auf die Beine zu stellen, muss die ganze Schulfamilie mitziehen. „Es braucht engagierte Kollegen und Kolleginnen, die sich bereiterklären für 14 Tage in ein anderes Land zu fahren und die Akzeptanz im Kollegium, fehlende Lehrer zu vertreten“, betont Schulleiter Ilg.
Zum Glück für die Schüler lag die Zustimmung zu dem Programm bei einer internen Befragung des Lehrerkollegiums bei über 80 Prozent. Mit diesem Zusammenhalt kann die BSZ auch zukünftig global gehen.